370 – Ameisen anstatt Blutzuckermessgerät. Wie war es damals?
Die Geschichte des Diabetes mellitus ist geprägt von Hoffnung und Tod, von verzweifelten Versuchen, eine tödliche Krankheit zu behandeln, und von bahnbrechenden wissenschaftlichen Entdeckungen. Heute wissen wir, dass Diabetes eine Störung des Blutzuckerspiegels ist, die durch einen Mangel oder eine Unempfindlichkeit gegenüber Insulin verursacht wird. Doch vor der Entdeckung des Insulins im Jahr 1921 war Diabetes eine nahezu tödliche Diagnose. Wie wurde diese Krankheit vor der Entdeckung des Insulins behandelt?
Ich habe hier ein wenig gestöbert und ein paar nette Fakten random zusammengesucht. Da ich ein Geschichtstrottel bin, lege ich keinen Wert auf eine richtige zeitliche Reihenfolge.
Bereits im alten Ägypten gibt es Hinweise auf Diabetes. Papyrusrollen aus dem Jahr 1550 v. Chr. beschreiben eine Krankheit, die durch übermäßigen Durst und häufiges Wasserlassen gekennzeichnet ist – typische Symptome des Diabetes. Das Papyrus Ebers erwähnt sogar Rezepte, die unseren Zuckerfluss regulieren sollen.
Einer meiner Lieblinge ist der indische Mediziner Charaka aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus, der die Diagnose wie folgt kommentiert: „Du hast einen Patienten, der Harn lässt wie ein brünstiger Elefant, (…) dessen Harn süß schmeckt und die Ameisen anlockt.“
Auch in der antiken griechischen und römischen (Ave Caesar. Dulcia te salutant – Ave Caesar, die totgesüßten grüßen Dich) Medizin wurden solche Symptome beschrieben. Der griechische Arzt Aretaeus von Kappadokien prägte im 2. Jahrhundert n. Chr. den Begriff „Diabetes“, was so viel wie „hindurchfließen“ bedeutet, um den starken Harndrang der Betroffenen zu beschreiben. Er beschrieb es laut Spiegel-Archiv wie folgt: „Die Kranken haben einen unauslöschlichen Durst und trinken und harnen viel (…), wie aus geöffneten Schläuchen rinnt es unaufhörlich.“ Er vermutete, logisch, dass es wohl am Magen oder an den Nieren liegen würde. Irgendwie logisch. Oben reinkippen und unten rauslassen. Hätte ich genauso diagnostiziert. Damals hat mich aber keiner gefragt. Dummerweise zieht sich das jetzt erst einmal ein paar Jährchen.
Die Behandlungsmöglichkeiten in der Antike und im Mittelalter waren begrenzt und basierten hauptsächlich auf diätetischen Maßnahmen. Patienten wurden aufgefordert, ihre Ernährung zu ändern und Lebensmittel zu meiden, die als schädlich galten. Diese Ansätze waren jedoch weitgehend ineffektiv, da das grundlegende Problem – der Insulinmangel – noch unbekannt war.
Einer unserer ersten Heros war Paracelsus, der sich gegen die Magen-Nierentheorie stellte und vermutete darin eine Stoffwechselstörung und fing an, diese mit Hungerkuren zu behandeln. Wusstest Du, dass er in Wirklichkeit Theophrastus Bombastus Philippus Aureolus von Hohenheim (1493-1541) hieß? Was mir an dem Bub sehr gefällt ist, dass er schon damals ein kleiner Querdenker war und sich auch nicht von Widerständen aufhalten ließ. Sein Ansatz „Die Therapie kann sich demnach nicht allein am Körperlichen orientieren und bloß Symptome behandeln: Der Therapeut muß nach Ursache und Entstehung des Leidens suchen(…)“ gefällt mir.
Einer unserer nächsten Schleckermäulchen kommt aus England. Ihr wisst ja: Jeder kennt einen Zuckerjunkie. So auch auf dieser Insel. Der Medicus Thomas Willis beschreibt im 17. Jahrhundert des Harn-Schmeckens. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass hier schon die Mittelstrahlurin-Therapie erfunden wurde. Quasi als Ausrede, warum er denn jetzt schon wieder übertreibt und nen Schluck aus dem Glas nimmt, anstatt mit dem Finger reinzudippen. Prost.
Wir kommen der Ursachenforschung immer näher und es wird immer mehr experimentiert. Der englische Arzt Matthew Dobson kam 1776 auf die Idee, Urin zu verdampfen und …. richtig. Das erste Zuckerbonbon wurde erfunden … Neeee, natürlich nicht, aber es blieb wirklich eine süße weiße Masse übrign, die wie Zucker schmeckte. War das vielleicht die Erfindung vom Süßstoff … süßer Stoff … kapiert? Ok, weiter im Text …
Mit der Entwicklung der modernen Medizin im 19. Jahrhundert wurden die Methoden zur Behandlung von Diabetes etwas systematischer. Einer der ersten Ansätze stammte von dem französischen Arzt Apollinaire Bouchardat, der Mitte des 19. Jahrhunderts erkannte, dass eine kohlenhydratarme Diät die Symptome von Diabetes lindern konnte (hatten wir ja schon einmal). Bouchardat stellte fest, dass bei seinen Patienten während der Belagerung von Paris (1870-1871), als Lebensmittel knapp waren und die Menschen gezwungen waren, weniger zu essen, die Symptome von Diabetes zurückgingen.
Endlich ist es soweit. Unser geliebter Paul Langerhans entdeckt die Bauchspeicheldrüse und entdeckte 1869 zusätzlich einen „eigenartigen Zellhaufen“, den man nachher nicht einfach Zellhaufen nennen konnte, da es sonst Stress und ständiges Gelächter im Biologieunterricht gäbe. Somit wurde aus einem Zellhaufen eine Insel und da Inseln ziemlich traurig sind, wenn diese keine Namen bekommen, heisst diese also „Langerhans-Insel“. Wusstest Du, dass er für seine Doktorarbeit über diese Inseln eine 5 bekam? Merke: Nur, weil einer es nicht kapiert, was Du beschreibst, heisst es noch lange nicht, dass es Blödsinn sein muss. Diese 5 hat er übrigens vom berühmten Arzt Rudolf Virchow bekommen.
Tja, was unser Onkel Doktor Virchow nicht kapierte, hat zwei andere Wissenschaftler ins Rappenlicht geschossen.
Joseph Freiherr von Mering und Oskar Minkowski haben einem Hund die Bauchspeicheldrüse herausgeschnitten. Nicht lustig. Das Ergebnis war dennoch sehr wichtig für uns alle. Der arme Hund bekam alle Symptome der damals sogenannten Zuckerkrankheit und starb. Es gibt auch ein Happy End, denn sie haben weiter geschnippelt und Teile der Bauchspeicheldrüse wieder eingepflanzt und die Symptome verschwanden.
Der wahre Durchbruch kam erst 1921, als Frederick Banting und Charles Best an der Universität Toronto Insulin entdeckten. Gemeinsam mit dem Biochemiker James Collip und dem Physiologen John Macleod gelang es ihnen, Insulin aus der Bauchspeicheldrüse von Kälbern zu isolieren und erfolgreich an Menschen zu testen.
Die „Revolution“ in der Medizin begann und wir bekamen am Ende unser jetzt weltweit gehyptes Insulin. Leider nicht für alle so einfach zugänglich, wie für uns, dennoch endlich ein Mittel für die Therapie und die Rettung von einem langsamen Tod. Dank Insulin können wir ein normales Leben führen.
Danke an beide Eltern von Banting und Best. Wir lieben Euch.
Show Notes
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Erwähnte Seiten, Blogs etc.
204 – 100 Jahre Insulin – Zurück in die Zukunft
Quellen: